Denn Tiere sind keine Maschinen

Abschied von Agnes

von Admin, am 19.03.2024.

Die Arbeit auf einem Lebenshof ist emotional eine Achterbahnfahrt. Bei jeder Ankunft springt das eigene Herz vor Freude fast aus der Brust und man läuft tagelang mit chronischem Grinsen durch die Gegend, bei jedem Abschied bricht dagegen eine Welt zusammen und man landet hart in der Realität, die gerade für ein Tieraltersheim gilt. Seit gestern Abend dominiert wieder das letztere Gefühl, denn wir mussten uns von Agnes verabschieden. Sie hat die letzten Wochen sehr abgebaut und nahm seit Tagen auch nichts mehr außer etwas Wassermelone zu sich. Dazu wurde sie immer blasser und auch kälter und schlief den ganzen Tag nur noch. Der Tierarzt konnte ihr nicht mehr helfen, so blieb uns nur noch die Wahl, ob wir sie erlösen oder verhungern lassen. So eine Entscheidung wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht, wir müssen sie mehrmals im Jahr treffen und dabei immer aus der Perspektive der betroffenen Tiere entscheiden.

An dieser Stelle gibt der Autor ab an Jacky, die einen eigenen Abschiedstext verfasst hat: „Aggi ist nun im Himmel voller Wassermelonen angekommen. Sie ist vor circa 2 Jahren aus einem Bio-Betrieb hergekommen und sah da alles andere als gut aus. Unter anderem war ihr Kamm von anderen Hühnern komplett weggepickt worden. Bio ist nicht besser als das „Normale“. Sie wurde dort aussortiert, weil sie wie alle Hühner in der Industrie mit nur eineinhalb (!!!) Lebensjahren nicht mehr die gewünschte Leistung bringen kann. Dann gehts zum Schlachter. Das Schicksal und kurze Leben dieser Hühner ist einfach nur grausam.

Aggi war sehr selbstbewusst und war tatsächlich trotz ihrer Gehbehinderung die Ranghöchste in der Hühnergruppe. Am Anfang konnte sie kaum laufen, die letzten Monate hat sie immer mit den anderen mitgehalten und war ständig im Garten unterwegs. Sie war sehr besonders für uns und hinterlässt definitiv eine Lücke. „Fly free“ sag ich da nur …“

Ergänzend wäre noch zu vermerken, dass Agnes Augen bei der Ankunft komplett zugeschwollen waren und sich erst nach Tagen öffneten. Nicht nur ihr Kamm war kaum noch vorhanden, auch am Kopf und im Nackenbereich stellten wir mehrere alte Wunden und Vernarbungen fest. In ihren ersten Stunden auf Butenland wäre sie fast im nicht allzu tiefen Wassernapf ertrunken, weil sie kurz ohnmächtig wurde und auch nicht durch das Wasser wieder aufwachte.

Es ist schier unglaublich, aber auch sehr motivierend, wie dieses Huhn dann wieder aufgeblüht ist, die Karriereleiter in ihrer Gruppe bis nach ganz oben genommen hat und auch schnell wieder wie ein echtes Huhn mit intaktem Kamm und Gefieder ausgesehen hat. Trotzdem gehörte auch leider sie zu den Tieren, denen der Mensch von Anfang an eine extrem kurze Lebenserwartung angezüchtet hat. Wir können uns nur damit trösten, dass wir ihr wenigstens 1 1/2 Jahre ein Hühnerleben schenken durften, wie es jedes dieser Lebewesen in einer anständigen Welt eigentlich verdient hätte. Sie kam mit 15 Monaten und lebte über 14 Monate auf unserem Hof, also ist sie fast doppelt so alt geworden, wie ihr die widerliche Industrie eigentlich zugestanden hat. Ein mehr als schaler Trost. Und jetzt müssen wir direkt zu Oma Hanni, die auf der Weide festliegt und ebenfalls um ihr Leben kämpft. Die Arbeit auf einem Lebenshof ist emotional eine Achterbahnfahrt, momentan befinden wir uns anscheinend in einer ganz tiefen Schlaufe.

Für Aggi:
https://www.youtube.com/watch?v=Jus6JxYMHD8


Kategorie: Allgemein

4 Antworten zu “Abschied von Agnes”

  1. Ida sagt:

    Ihr habt Agnes (und nicht nur ihr) wieder Lebensmut gegeben, sie liebevoll aufgepäppelt so dass sie in der 2. Hälfte ihres Lebens DAS LEBEN genießen konnte: frei, selbstbestimmt, geliebt. Danke!!! ♡♡♡
    Lebe wohl, süße Agnes, der Himmel wird für dich voller Melonen hängen ❤️
    Für Oma Hanni wünsche ich Hoffnung und Glück und euch viel Kraft

  2. Cornelia sagt:

    Sooo bitter! Wer weiß wie lange sie hätte leben können, hätte sie ihre ersten Monate auch in Freiheit verbracht…

  3. Silke sagt:

    Machs gut, liebe Aggi ❤ Zumindest konntest Du Deine zweite Lebenshälfte in Würde und Frieden verbringen. Tausend Dank an alle menschlichen Butenländer, dass ihr dies immer wieder ermöglicht, auch mit dem Wissen, dass der traurige Abschied zum Teil in naher Zukunft naht.

  4. Gabriele R. sagt:

    Durch Euch hat Agnes in ihrem kurzen Leben noch Liebe und Fürsorge erfahren dürfen. Das ist ein so großes Geschenk. Diese Liebe hat sie in ihrem kleinen Herzen mitnehmen dürfenschade, dass sie nicht länger bei Euch bleiben konnte.

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