Denn Tiere sind keine Maschinen

Das Kuhaltersheim

amy und lotta

Auch in Zeiten, in denen es die heute üblichen Mengen an Molkereiprodukten nicht gegeben hat, war das Leben von Rindern ein von Menschen bestimmtes. Den Grad der Ausbeutung haben Menschen spätestens im 20. Jahrhundert immer weiter gesteigert. Wir Menschen haben uns an das mit der Ausbeutung verbundene Unrecht nicht etwa gewöhnt, sondern gehen vielmehr (abgestumpft) darüber hinweg oder sind uns der Details überhaupt nicht bewusst.

Es gibt Fleisch- und Milchrinder. Die Fleischrinder werden ausschließlich zur Welt gebracht, um sie nach der Mästung zu töten. Die Milchrinder (genauer: Milchkühe) werden, wenn sie nicht mehr rentabel sind, mit durchschnittlich 5,5 Jahren ebenfalls geschlachtet.

Die Details des an den Milchkühen begangenen permanenten Unrechts, das gern auf Traditionen zurückgeführt wird, moralisch aber nicht zu rechtfertigen ist, sehen so aus:

Kühe, die bis zu dreißig Jahre alt werden könnten, werden schon im jugendlichen Alter von ca. zwei Jahren befruchtet. Meistens künstlich, selten durch einen Zuchtbullen. Unter Menschen würde man diesen Eingriff Vergewaltigung nennen. Wenn die Kuh ein Kalb zur Welt gebracht hat, wird es ihr in der Regel sofort und in seltenen Ausnahmen spätestens vierzehn Tage nach der Geburt weggenommen. Die Mutter ruft oft noch wochenlang nach ihrem Kalb. Auch das Kalb schreit verzweifelt nach seiner Mutter.

Das seiner Mutter entrissene Kalb wird in der Regel mit Ersatzmilch aufgezogen. Höchstens bekommen Kälber noch unverkäufliche Muttermilch von kranken Kühen. Männliche Kälber werden an Mäster verkauft und nach wenigen Monaten Mästung getötet. Die Mästung folgt wirtschaftlichen Erwägungen, die politisch durch sogenannte Schlachtprämien reguliert werden. Diese Prämien werden den Landwirten für den Verkauf der Tierbabys mit dem Zweck ihrer Tötung gezahlt, die Kosten dafür tragen die Steuerzahler*innen. Weibliche Kälber werden entweder selbst Milchkühe oder ebenfalls einige Monate gemästet und anschließend geschlachtet.

Durch das künstliche Melken wird die Milchleistung angetrieben, die Euter immer voller. Viele Kühe schreien vor Schmerzen, weil sie Druck und Schwere der Euter nicht aushalten. Damit eine Kuh nicht nur vorübergehend, sondern ständig Milch produzieren kann, wird sie jedes Jahr erneut künstlich geschwängert. Auch während der Schwangerschaft wird sie weiter gemolken. Diese extreme Doppelbelastung gehört jetzt zu ihrem weiteren Leben. Nachdem sie ihr Kalb geboren hat, wiederholt sich der Kreislauf, bis die Maschine Kuh aufgrund von Verschleißerscheinungen nicht mehr rentabel ist. Sie ist trotz ihres noch jungen Alters bereits stark gealtert, physisch und psychisch ausgezehrt und leidet an zuchtbedingten Krankheiten. Als Dank wird sie nun gegen eine kleine Gebühr an einen Schlachthof verkauft. Sie hat weder ihre eigene Mutter noch ihre eigenen Kinder kennenlernen können.

Dies sind die Hintergründe der Milchwirtschaft. Ob konventionell oder kontrolliert-biologisch – an den oben genannten Umständen ändern auch ein paar Quadratmeter mehr oder weniger Bewegungsfläche nichts.

Immer mehr Menschen können diese Umstände mit ihrem Gewissen nicht länger vereinbaren. Wir sagen deshalb bewusst: „Menschlichkeit kann man nicht in Kuhbigmetern messen, aber man kann sie praktizieren.“ Mit dem Kuhaltersheim setzen wir ein Zeichen für einen neuen, besseren Umgang von Menschen mit den Rindern. Man könnte meinen, es handle sich dabei nur um einen Tropfen auf den heißen Stein. Wir sind aber der Meinung, dass gerade solche Anfänge bedeutsam sind, um die überfällige Wende im Umgang mit den Rindern auf den Weg zu bringen.

Für den Landwirtschaftsmeister Jan Gerdes, der zunächst einen konventionellen, dann einen Demeter-Hof mit Milchkühen betrieben hat und heute vegan lebt, erfüllt sich mit dem Kuhaltersheim eine Herzensangelegenheit, denn er ist überzeugt, dass nur ein konsequent tierfreundlicher Umgang mit den Rindern Zukunft hat.

Die Arbeit des Kuhaltersheimes beweist, dass auch solche Tiere, die wie die Milchkühe mit ausgelaugten Körpern und gebrochenem Herzen aussortiert werden, wieder lebensfrohe Wesen sein können; dass sie trotz der erlittenen Qualen wieder Vertrauen fassen, Freundschaften schließen und Freude empfinden können.

Wir möchten mit dem Projekt Kuhaltersheim den Kühen das zurückgeben, was die Menschen ihnen genommen haben:

Würde und ein selbstbestimmtes Leben.