Denn Tiere sind keine Maschinen

Das neue Kapitel der unendlichen Kastenstand-Geschichte

von Admin, am 05.06.2020.

Der Bundesrat hat heute am 5. Juni 2020 einen Verordnungsentwurf der Bundesregierung zur Schweinehaltung kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt. Ursprünglich sollte der Bundesrat schon am 14. Februar 2020 über die Verordnung abstimmen. Auch an diesem Tag war die Vorlage jedoch kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt worden.

Eigentlich sollte es heute also spannend in der deutschen Politik werden, denn die Länder wollten ursprünglich über die Zukunft der Kastenstände in der Muttersauhaltung entscheiden. Damit wäre eines der Themen auf den Tisch gekommen, das kaum ein Politiker mehr erklären kann, aber trotzdem seit Jahrzehnten quer durch alle Parteien rechtswidrig durchdrückt. Fast schon absehbar wurde der Spuk aber auch heute in letzter Minute zum wiederholten Mal vertagt.

Bereits 1992, also vor unfassbaren 28 Jahren, wurde per Verordnung beschlossen, dass diese Stände rechtswidrig sind, und den Bauern wurde eine Frist von 4 Jahren eingeräumt, um ihre Abferkelanlagen (allein dieses Wort ist so unglaublich widerlich und lebensverachtend) tiergerechter zu gestalten. Da wir bei den Bauern aber von einer der größten Lobby im Land sprechen, haben die meisten Halter das einfach ausgesessen, nichts umgebaut und das Thema wurde nach 4 Jahren einfach nicht mehr angesprochen. Wahrscheinlich lief gerade eine Fußball-EM oder -WM, da hakt dann kein Mensch mehr nach und das Langzeitgedächtnis beschäftigt sich nur noch damit, wie oft Deutschland eigentlich schon Pokale abräumen konnte und wer im Finale die Tore geschossen hat. 2015, also 13 Jahre später, beschäftigte sich ein Gericht mal wieder mit dem Fall und bestätigte (Überraschung, Überraschung) die Rechtswidrigkeit der Stände, 2016 wurde das Urteil vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Diesmal passierte aber gar nichts, wieso soll man als Politiker auch Streß mit sowieso nicht eingehaltenen Übergangszeiten riskieren, wenn man richterliche Urteile auch einfach ignorieren kann?

Makabererweise ging es bei dem ganzen Hickhack sowieso nur um eine sehr lächerliche Verschlimmbesserung, die Stände sollten nämlich schon immer erlaubt bleiben, der Sau musste nur gewährt werden, dabei ihre Beine ausstrecken zu können. Es fällt wirklich schwer, über so etwas zu schreiben und nicht beleidigend zu werden. Da wird ein schmerzempfindliches Lebewesen, das jederzeit mit der Intelligenz eines Hundes mithalten kann und mit dem sich der Mensch über 90 % seiner genetischen Komponenten teilt, gegen seinen Willen gefangengehalten, es wird so sehr fixiert, dass es nur noch den Kopf bewegen kann, ihm werden die Kinder im jährlichen Akkord geraubt und am Ende des Leidensweg darf es sich endlich aufrichten, aber nur weil das Schlachtermesser wartet. Und empathielose Menschen unterhalten sich nicht nur darüber, ob es unter dieser Tortur die Beine ausstrecken sollte und ob diese Gewährung die Hölle in ein Disneyland verwandeln könnte, sie schaffen es nicht mal, so etwas durchzudrücken, obwohl sogar Gerichte es als dringend erforderlich herausstellen.

Das sind auch immer die Situationen, in denen man unglaublich enttäuscht über Parteien sein muss, denn sie hätten nicht nur die Gerichte hinter sich, laut Umfragen sind auch 90 % der Deutschen gegen Kastenstände. Und trotzdem gibt es von allen nur einen butterweichen Kompromissvorschlag, in dem dazu geraten wird, dass die Schweine ihre Beine ausstrecken können, ohne dass ein bauliches Hindernis im Weg steht. Eine einzige Farce in einer Industrie, in denen die Sauen dicht an dicht liegen, aber die Nachbarin natürlich nicht als bauliches Hindernis gilt.

Zum Schluß müssen wir uns wohl selber korrigieren, denn eigentlich wäre es heute gar nicht so spannend in der deutschen Politik geworden, zumindest nicht aus Sicht der Schweine. Denn selbst wenn die Länder mit grüner Regierungsbeteiligung irgendwo auf dem Dachboden überraschend Charakter entdecken und deshalb irgendwann bei der nächste Terminansetzung gegen den eigenen Kompromiss stimmen, ändert sich für die Sauen nichts. Wenn der Kompromiss dagegen angenommen wird, passiert auch nichts, denn ihre Beine können sie dann höchstens direkt in den Rücken der Nachbarin ausstrecken. Die sicherste Wette ist sogar, dass der Kompromiss irgendwann wahrscheinlich in einer der berühmten Mitternachtssitzungen angenommen wird, die Bauern eine Übergangsfrist bis mindestens zur nächsten Legislaturperiode bekommen und das Thema danach einfach nicht mehr angesprochen wird. Das hat sich gerade bei den Kastenständen schließlich seit 28 Jahren politisch bewährt. Ganz bitter wird es übrigens, wenn man beim Thema in andere Länder schaut. Schweden hat den Kastenstand bereits 1988 verboten, Großbritannien 1991 und die Schweiz 1997. Auch in den Niederlanden, Österreich und Norwegen gelten inzwischen Verbote. Das macht das Armutszeugnis unserer Regierungen der letzten 30 Jahre um so deutlicher.
https://www.facebook.com/reportmainz/videos/705406383623423/?__xts__[0]=

Nachtrag: Wie wir gerade aus einem Rundbrief erfahren, wurde die Abstimmung vertagt, weil die Grünen im Probelauf „Nein“ gesagt haben und deshalb keine Mehrheit zustande gekommen ist. Das wollen wir auf keinen Fall verschweigen und dieses wichtige Signal sogar nochmal lobend herausstreichen.


Kategorie: Allgemein

8 Antworten zu “Das neue Kapitel der unendlichen Kastenstand-Geschichte”

  1. Kerstin sagt:

    Lieber Admin, vielen Dank für diese wenn auch unendlich traurige Zusammenfassung des IST-Standes.
    Bei jedem Treffen auf einen Tiertransporter, hier auf der A7 natürlich leider sehr häufig, stehen mir die lieben Gesichter Eurer zauberhaften Butenländer Schweine vor Augen, und ich schäme mich zutiefst.
    Man möchte so gerne etwas dazu sagen, aber es gibt zu all diesem Unfassbaren eigentlich nichts (mehhr) zu sagen.
    Umso mehr mein Dank für den Trost, den Ihr mit dem, was Ihr leistet, spendet.

  2. Hilke sagt:

    Dem was Kerstin sagt,kann ich mich nur anschließen.
    Mein Fazit: der Dachboden, wo irgendwo das Gewissen abgegeben wurde, ist nicht nur voller Spinnenweben, der ist pulverisiert.

  3. Marita sagt:

    Das ist für mich einer der Gründe, weshalb ich den zweibeinigen Bewohnern von Hof Butenland immer wieder dankbar bin. Zeigen sie doch auf, wie eine bessere Welt für die Tiere aussehen kann. Ein resigniertes Schweigen zu dem niederträchtigen Verhalten der Politiker kann aber nicht richtig sein. Ich könnte schreien, immer wieder. Ich weiß nicht wieviele Briefe ich schon an die betreffenden PolitikerInnen geschrieben habe. Aber ich bin denen ja noch nicht mal eine Antwort wert. Die Verachtung beruht wohl auf Gegenseitigkeit. So bin ich mittlerweile zu der Auffassung gelangt, dass das schlimmste Virus auf unseren Erdenball der Homo sapiens ist.

  4. Martina sagt:

    Ich finde,man ist so ohnmächtig. Man würde gerne etwas verändern bzw.die Situation für die Tiere verbessern,aber einem sind
    leider die Hände gebunden.
    Liebe Marita,dass die PolitikerInnen nicht auf Deine Briefe antworten zeigt nur, wie abgehoben diese Herrschaften sind.
    Dein Schreien kann ich gut nachvollziehen – so geht es mir auch !!

  5. Hilke sagt:

    Marita, nein, ganz entschieden nein, der Mensch ist perse ein Schöpfer, ein Wesen mit Bewußtheit. Der schlimmste Parasit ist die Tatsache, daß wir überhaupt Politiker meinen zu brauchen, oder überhaupt andere, die uns sagen, was zu tun sei.
    Wir müssen wieder anfangen, zu hinterfragen, selber zu denken.

  6. ellen sagt:

    Die Machtlosigkeit, mit der man diese grausamen „Richtlinien“ hinnehmen muss, ist entsetzlich. Selbst bei nachgewiesenen Verstößen wird kaum ein Delikt zur Anzeige gebracht und wenn, dann werden die Beteiligten nicht zur Rechenschaft gezogen – siehe die Anzeigen gegen Schlachthöfe und ihre Betreiber – einfach abgeschmettert – wie wird dort das „Recht“ gebogen!!!!!!!! Es ist erschreckend mit welcher Gleichgültigkeit die Personen agieren.

  7. ingeborch sagt:

    Barbarische Quälerei.

  8. Gabriele R. sagt:

    Es ist unbegreiflich, dass der Großteil der fleischessenden Menschheit diese Zustände völlig ignoriert und noch schlimmer, auch als normal empfindet. Falls es Wiedergeburt wirklich gibt möchte ich hier kaum deutlich sagen, was ich diesen Leuten wünsche.

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