Denn Tiere sind keine Maschinen

Bauern auf dem roten Sofa

von Admin, am 02.02.2023.

Das NDR-Magazin „DAS“ wollte gestern mal allgemein über Bauern reden. Ein sehr interessanter Vorstoß, etwas schleierhaft bleibt allerdings, wieso sich die Redaktion dann zwei Bio-Bauern auf das Sofa eingeladen hat. Die beiden haben sogar zugegeben, dass ihr Anteil im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft unter 20 % ausmacht, es gibt sogar andere Quellen, die von unter 15 % sprechen. Das ist also so ähnlich, als wollte diese Sendung allgemein über Menschenausbeutung in der asiatischen Textilindustrie sprechen und sich dafür den Vorstand eines Fair-Trade-Betriebs in die Sendung holt.

Trotzdem haben wir nicht direkt ausgeschaltet und uns auch die Restsendung angeschaut. Und die gestaltete sich dann sogar richtig lustig, wenn man denn auf schwarzen Humor steht. Allerdings wurde es erstmal interessant, denn das Thema „Digitalisierter Hof“ ist tatsächlich recht spannend und zu so einer Themensendung hätten wir uns auch gar nicht geäußert. Aber natürlich wurde das nur kurz angerissen und danach ging es direkt zur eigentlichen Tierhaltung. Hier haben die zwei Gäste mal wieder eindrucksvoll bewiesen, dass man auf sowieso recht dünnem Eis keine Arschbomben versuchen sollte.

Erstmal kam natürlich ein kurzer Clip zur Vorstellung, in dem herausgestrichen wurde, wie wichtig Tiergesundheit für die Betreiber sei, im Gespräch danach war ihnen auch ganz wichtig zu betonen, dass man seine Tiere SELBSTVERSTÄNDLICH liebt. Es wurde sogar die Anbindehaltung kritisiert, zwar müsse man auch die „Kollegen“, die so etwas betreiben, verstehen, aber natürlich hofft man auf eine Zukunft mit „freien“ Tieren und erklärt die Anbindehaltung zum „Auslaufmodell“. Laut dem Moderator „paradiesische“ Bilder und unbeschönigte Berichterstattung, die auch nicht mit Kritik zurückhält. Da fragt man sich doch als neutraler Zuschauer, der sich auch nur ein bißchen informiert hat, wieso niemand darüber spricht, dass die 600 Kühe von diesen Tierflüsterern auch jedes Jahr aufs Neue gegen ihren Willen künstlich besamt werden, indem ein Mensch bis zum Armschultergelenk in ihnen steckt. Warum fragt niemand, wie lange Mutter und Kind zusammenbleiben dürfen? Wie finden die beiden es, dass die männlichen Nachkommen ihrer geliebten Familie meistens sogar an konventionelle Mästerbetriebe verschachert werden? Passt wohl alles dann doch nicht in die große unbeschönigte Harmoniesendung, also fallen diese Fragen unter den Tisch.

Im Anschluß kommt stattdessen das Thema Tiertransporte aufs Tableau, und das ganze Sofa streicht heraus, wie sehr allen dabei das Herz blutet. Aber glücklicherweise haben die Gäste auch hier eine Lösung parat. Denn es geht einfach nicht, dass Tiere, die so intelligent sind, um zu leiden und ihre Situation zu begreifen, durch die Gegend gekarrt werden. Was sollte man also tun? Diese Tiere einfach nicht mehr umbringen? Das ist in Bauernaugen natürlich naiver Quatsch, trotzdem lieben diese Menschen ihre Opfer ja abgöttisch und betonen das auch in Dauerschleife, deshalb sind sie sehr dafür, mehr Schlachthöfe hochzuziehen, damit die Wege zur Hinrichtung immer kürzer werden. Und natürlich kommt auch der Einwurf, dass ja alles sowieso schon mal schlimmer war, da die geliebten Wesen früher über 20 Stunden herumgefahren wurden, was heute kaum noch vorkommt, worüber sich also auch mal alle freuen sollten. Wieso haben Sendungen mit eingeladenen Bauern eigentlich nie eine FSK18-Freigabe? Thematisch sollte man übrigens auch wissen, dass mehr als 200 Millionen Säugetiere jedes Jahr lebend quer durch Europa transportiert werden. Vor allem die langen Fahrten von Kälbern nach Spanien und trächtigen Jungkühen nach Kasachstan und Usbekistan stehen in der Kritik. Aber ein Ende der umstrittenen Tiertransporte ist nicht in Sicht. https://www.deutschlandfunk.de/tiertransporte-in-europa-tausende-kilometer-ueber-den-100.html

Als Ausgleich wird es dann wieder lustig, denn plötzlich betonen ausgerechnet Milchbauern, dass der Fleischkonsum natürlich deutlich heruntergehen müsste. An dieser Stelle sei deshalb erwähnt, dass das auch für den Milchkonsum gilt, keine Ahnung, warum die Zwei das vergessen haben zu erwähnen. Zusätzlich kommen sie auch aus heiterem Himmel damit um die Ecke, dass Verzicht nichts Schlechtes ist und man trotzdem genußvoll leben kann. Was VeganerInnen schon immer betont haben und dafür regelmäßig von der Bauernschaft verlacht wurden.

Danach wird es richtig gruselig, denn es geht in einen koventionellen Hof. Über diesen Einspieler könnte man einen eigenen Bericht schreiben, unter anderem erzählt der Hauptdarsteller Märchen über Rinder, denen die Hörner ausgebrannt werden müssen, weil sie sich sonst selber verletzen würden. Wenn sich Rinder tatsächlich an diesen Quasi-Gliedmaßen verletzen, dann nur, weil sie zusammengepfercht leben müssen. Auf Butenland gab es noch keine einzige Verletzung durch Hörner, ganz im Gegenteil muss man sich eher Sorgen um die hornlosen BewohnerInnen machen, die jeden enorm wichtigen Kampf um den sozialen Rang direkt mit ihrem Schädel, Angriffen in die Seite und entsprechenden Gesundheitsrisiko bestreiten. Wie gesagt wäre das aber ein eigenes Thema, viel wichtiger ist hier, dass die zwei Brüder nach dem Beitrag zugeben mussten, dass ihre ach so geliebten Tiere ebenfalls nach 5 Jahren kerngesund in den Tod geschickt werden, damit – Zitat aus dem Beitrag – „ein guter Schlachtkörper verkauft werden“ kann. Übrigens ist es auch eine Lüge, dass Rinder 20 Jahre alt werden können. Die älteste Kuh auf Butenland war 26, das älteste Rind der Welt wurde laut Herdenbuch 49 Jahre alt. In der Diskussion ging es dann natürlich darum, wie sehr man die Kleinkinder trotzdem achtet, die man trotz bester Gesundheit auf die Schlachtbank abschiebt.

An dieser Stelle möchten wir einen besonders ulkigen Satz zitieren: „Wenn wir die Tiere nicht essen, dann haben wir ihren Kot nicht, und dann haben wir keinen Dünger für Salat.“ Eine Aussage, die gleich auf mehreren Ebenen hinkt. Wir auf Butenland können bestätigen, dass wir gerade in der Stallsaison kiloweise Tierkot auf unseren Misthaufen tragen. Die Tiere kacken also erstaunlicherweise auch, wenn man sie nicht umbringt und isst. Der Großteil des industriellen Mists wird auch nicht für Salat verwendet, sondern für den Anbau von Tierfuttermitteln. Und außerdem kann sich jeder heutzutage mit ein paar Klicks über biovegane Landwirtschaft informieren, dort wird sogar mit Fruchtfolge https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/wie-arbeiten-foerster-und-pflanzenbauer/die-fruchtfolge-in-der-landwirtschaft , Klee oder Kompost gedüngt. Und wer darüber lacht, hat einfach keine Ahnung vom Thema. Im Garten des Autoren wächst jedes Jahr Salat in rauen Mengen, ohne dass auch nur eine Kuh darauf geschissen hat.

Zur Auflockerung wird es dann wieder urkomisch, denn der Moderator geht der Behauptung nach, dass in der Milch Rückstände von Antibiotika zu finden seien. Wahrscheinlich dachte er an die Vorabendzeit und hat deshalb nach Blut und Eiter gar nicht erst gefragt. Dass haben die beiden Bauern dann auch recht verschämt bestätigt, versicherten aber natürlich sofort, dass Antibiotika ja überall drin wäre, aber das Thema halb so wild sei, weil man das demnächstganzbaldvielleichtschonübermorgenmalsehenjetztnichtsüberstürzen verringern möchte. Und weil das ach so hamlos ist, warnen Forscher ja auch nur ganz leise davor, dass dadurch sogar Reserveantibiotika immer öfter versagen und viele Krankheiten, die die Menschheit mal im Griff hatte, jetzt nicht mehr heilbar sind.

Zum Schluß geht es dann um die Kontrollen der Betriebe, wahrscheinlich um mit einem Lachen aus der Sendung zu gehen. Da redeten die Brüder nämlich nur über die strengen Bio-Kontrollen, die der Moderator dann einfach mal auf die konventionellen Betriebe übertragen wollte. Da mussten ihn die Gäste aber korrigieren und darauf hinweisen, dass es in der konventionellen, also dem Hauptteil der Landwirtschaft, nur Stichproben- und Verdachtskontrollen gibt. Oder wie es das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft ausdrückt: „Es wurden im Jahr 2021 71.090 von insgesamt 438.727 kontrollpflichtigen Betrieben mit Nutzieren kontrolliert. Das ist eine Kontrollquote von insgesamt rund 16 Prozent. In mehr als einem Fünftel dieser kontrollierten Betriebe wurden Verstöße gegen das Tierschutzrecht festgestellt.“ So erklärt sich dann auch, dass zum Beispiel in Bayern im Durchschnitt nur alle 50 Jahre der Prüfer vor der Tür steht.

So, damit beenden wir diesen Bericht und hoffen genau wie die Sendung DAS, dass wir damit den VerbraucherInnen die Landwirtschaft mit Tierhaltung etwas näher gebracht haben und sie jetzt für die ZuschauerInnen/LeserInnen etwas transparenter wurde.


Kategorie: Allgemein

Eine Antwort zu “Bauern auf dem roten Sofa”

  1. Daniela sagt:

    Danke, dass ihr euch immer wieder die Zeit nehmt, so ausführlich und vor allem sachlich zu solchen Berichten Stellung zu nehmen

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