Denn Tiere sind keine Maschinen

Abschied von Marieke

von Admin, am 13.01.2023.

„Und die Seele unbewacht will in freien Flügen schweben,
um im Zauberkreis der Nacht tief und tausendfach zu leben.“

(Hermann Hesse)

Wir mussten heute Marieke vom Tierarzt erlösen lassen. Gestern lag sie fest und schon da haben wir sie nur mit großer Mühe wieder in den aufrechten Stand bekommen. Leider nur für einen kurzen Moment, denn heute fanden wir sie wieder festliegend im Stall. Marieke ist durch ihre schlimme Vorgeschichte schon immer ein Familienmitglied gewesen, das wir verstärkt im Auge behalten mussten, nicht umsonst gehörte sie zu unserem Krankenstall. Deshalb konnten wir ihr jetzt nur noch in Absprache mit dem Tierarzt den letzten Freundschaftsdienst erweisen, da alles andere Quälerei gewesen wäre.

Marieke musste 12 Jahre in einer Anbindehaltung verbringen. Dort war sie eine sogenannte Hochleistungskuh und musste über 120.000 Liter Milch abgeben. Unnötig zu erwähnen, dass sie körperlich sehr mitgenommen war, als sie endlich auf unserem Hof ankam. Das war ein Schicksal, das sie sich mit allen anderen „Turbokühen“ auf Butenland teilte. Auch unsere unvergessene Lady Welle war eine klapperdürre Kuh, der man die gnadenlose Maximalausbeutung bis zu ihrem Tod angesehen hat. Für einen einzigen Liter Milch muss eine Kuh circa 500 Liter Blut durch ihr Euter strömen lassen. Das Herz einer Hochleistungskuh pumpt deshalb am Tag eine fünf- bis sechstellige Literanzahl Blut. Logisch, dass so eine Belastung nicht folgenlos bleiben kann und die Tiere körperlich bis zum Letzten auslaugt. So ist auch Marieke nur 14 Jahre alt geworden und viel zu früh gegangen.

Selbst hier auf Butenland hat ihr das Schicksal nochmal übel mitgespielt, denn als sie ihre erste Brunst in Freiheit genießen durfte, ist sie dabei direkt ausgerutscht und hat sich das Becken angebrochen. Glück im Unglück war dabei, dass ihr dieser Unfall auf unserem Hof passiert ist und nicht in ihrem vorherigen Betrieb. Dort wäre das nämlich ihr Todesurteil gewesen, bei uns bekam sie ihre Chance auf Genesung, die ihr danach nochmal die ersten glücklichen 2 1/2 Jahre ihres Lebens in unserem Altersheim bescherte. Was auch daran lag, dass sie trotz Krankenabteilung ihre Weidesaison in vollen Zügen genossen hatte und uns mit ihrem ausgelebten Bewegungsdrang sogar immer wieder überraschte.

Besonders rührend war an diesem Unfall, dass sie zuhause bleiben musste und ihre Freundinnen Lisbeth und Oma Lenchen (übrigens auch eine Hochleistungskuh) deshalb ebenfalls auf den Anfang der Weidesaison verzichteten. Und als sie dann nach Wochen doch aufbrachen, kehrten sie völlig untypisch jeden Abend auf den Hof zurück und schauten nach Marieke. Von diesem Trio ist jetzt nur noch Lisbeth übriggeblieben. Aber es bestehen kaum Zweifel, dass gerade sie jetzt zwei besonders engagierte Schutzengel an ihrer Seite hat. Trotzdem werden hier natürlich alle Marieke vermissen. Wir hoffen so sehr, dass die 12 Jahre Hölle wenigstens etwas durch die fast drei Jahre Butenland wettgemacht werden konnten und die Süße unsere Entschuldigung im Namen der Restmenschheit angenommen hat.

Für Marieke:
https://www.youtube.com/watch?v=UoVaK2NXmJA
„Lege ihn hin deinen süßen und müden Kopf,
die Nacht ist gekommen, du bist am Ende deiner Reise.
Schlaf jetzt und träume von denen, die vor dir waren,
sie rufen von einer weit entfernten Küste.
Sag nicht, dass wir jetzt zum Ende gekommen sind,
weiße Strände rufen,
du und ich werden uns nochmals treffen
und du wirst hier in meinen Armen sein.
Schlafend.“


Kategorie: Allgemein

10 Antworten zu “Abschied von Marieke”

  1. iski sagt:

    Oh nein, nicht Marieke! So eine liebenswerte, tapfere Kuh, der ich noch viele, viele Jahre auf Butenland gegönnt hätte. Ihr Schicksal ist besonders berührend, aber auch die Art, wie sie bei euch ins Leben zurückgefunden und Freundschaften geschlossen hat. Einen großen Lebenswillen hatte sie, und viel zu wenig Zeit, die gewonnene Freiheit auszukosten. Ich bin sehr traurig, auch wegen Lisbeth, die nun ohne ihre Freundin ist und sicher leidet.

  2. Ira sagt:

    Das tut mir so unendlich leid!
    Ich wünsche euch viel Kraft…..
    Und Dankeschön,dass Marieke noch so eine schöne Zeit bei euch hatte.

  3. Varken sagt:

    Liebe Marieke, mögen Dir von Deinem Erdenleben nur die letzten zwei Jahre in Erinnerung bleiben. Und spring im Kuhhimmel, was das Zeug hält.

    Bei den Sorgenfellchen aber klafft nun eine Lücke.

  4. Gabriele sagt:

    Oh nein – mein liebes Patenkind. Es tut mir so leid. Mach`s gut Du liebe Marieke. Ich wünsche Dir eine gute Reise über die Regenbogenbrücke. Zum Glück hattest Du ein paar schöne Jahre voller Liebe und Frieden auf Hof Butenland. Du bleibst für immer in unseren Herzen.

  5. Silke sagt:

    Ruhe in Frieden, liebe Marieke. Wenigstens durftest Du noch fast 3 Jahre ein Leben in Würde und mit wunderbaren Freunden verbringen. Wenn doch nur Dein ganzes Leben so verlaufen wäre.

  6. Martina sagt:

    Ach,liebe Marieke,nun war das Leben offenbar doch zu beschwerlich für Dich geworden und die Kräfte haben Dich verlassen.
    Ich bin sehr froh,dass Du aber über
    2 Jahre im wunderschönen Butenland♥️ leben konntest,wo Du nicht ausgenutzt,sondern geliebt wurdest.
    Gute Reise, liebe Marieke♥️.

  7. margitta sagt:

    Was ist Leben und Tod ungeheuer, wenn man nicht beides imemrfort in einem sieht und fasst nicht untescheidet Aber das ist ja eben die Sache der Engel, das zu tun, nicht unsrige, nur ausnahmsweise, für langsam erschmerzte Augenlicke.
    R.M. Rilke
    Gebe mir sehr viel Mühe als Trauer-und Sterbebegleiterin aber für Menschen. Ich wünsche euch weiterhin sehr viel Kraft für eure Aufgabe

  8. Anke sagt:

    Liebste Marieke,
    nun bist Du über die Regenbogenbrücke gegangen…
    Jetzt schaust Du zusammen mit Oma Lenchen und den anderen Seelchen auf Lisbeth und alle Butenländer runter…
    Ich bin sehr traurig, dass Du gegangen bist.
    Wir hatten leider nie die Gelegenheit, uns persönlich kennenzulernen, aber ich hab mich immer sehr gefreut, von Dir zu lesen.
    Ich hab Dich sehr ins Herz geschlossen und ich hätte mir so gewünscht, dass Dir noch viel mehr Zeit in Freiheit vergönnt gewesen wäre, aber nun freue ich mich, dass Du überhaupt gerettet werden konntest und Du in Deiner Zeit auf Hof Butenland die Liebe und Fürsorge kennengelernt hast, von der Du 12 lange Jahre gar nicht wusstest, dass es sie gibt…
    Tausend Dank liebe Menschen auf Hof Butenland, dass Marieke eine schöne Zeit bei Euch gehabt hat und danke für Eure wertvolle Arbeit!
    Nun schlaf gut liebste Marieke!
    Wir sehen uns am Ende des Regenbogens!
    Deine Patentante Anke aus Bad Iburg

  9. Elke Kloos sagt:

    Ich trauere mit Euch und bin in meinen Gedanken in Butenland.

  10. Antonia sagt:

    Das tut mir sehr leid. Ich hätte ihr noch viele schöne Jahre mit Lisbeth und allen anderen gewünscht.

    Das kam jetzt sehr überraschend. Wobei – wie Ihr schreibt – nach so einem Vorleben ja mit allem gerechnet werden muss.

    Es ist fast unmöglich, das Vorleben von Nutztieren wieder gut zu machen, aber wenn es irgendwo geht, dann auf Butenland. Das hat Marieke bestimmt auch so empfunden.

    Die arme Lisbeth ist nun die letzte vom Trio. Hoffentlich trauert sie nicht so sehr.

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