Denn Tiere sind keine Maschinen

Gedanken zum Tag der Milch

von Admin, am 01.06.2022.
Wieder ist ein Jahr vorbei und noch immer „feiern“ die Menschen am heutigen Datum den „Tag der Milch“. Was für ein gruseliges Ereignis. Da stimmen sogar die Befürworter zu, denn sie trauen sich nicht mal, ihren ausgedachten Ehrentag richtig zu benennen. Überall wird gerade verschärft gegen Pflanzenmilch mobil gemacht, weil diese Bezeichnung angeblich so viele arme Kunden verwirrt, aber die gleichen Kritiker reagieren mehr als gereizt, wenn man ihr Gesöff unter dem korrekten Namen führt. Täte das jemand, dann würden wir heute nämlich den „Tag der Muttermilch“ begehen. Und das wäre dann nicht etwa eine Ode an das Getränk, das jedem von uns einen gesunden Lebensstart garantiert und jede unserer Gehirnleistungen erst ermöglicht hat, denn von diesem Ambrosium wird jeder erwachsene Mensch in jungen Jahren entwöhnt, was man allgemein als Abstillen bezeichnet. Nein, die Menschen feiern heute artfremde Muttermilch, die nicht für sie bestimmt ist, wissen das auch ganz genau und lassen das Ganze deshalb überall nur unter „Milch“ firmieren.
 
Wer in Biologie aufgepasst hat, für den ist es auch kein Geheimnis, wann ein Säugetier Muttermilch produziert. Da wir uns mit Rindern und vielen anderen Lebewesen diese Klasse teilen, durchlaufen die weiblichen Exemplare unserer Art dafür sogar den exakt gleichen Vorgang: Sie werden schwanger und gebären ein Kind nach 9 Monaten. Die Unterschiede finden sich da nur in der Besamung, die beim Menschen fast immer, bei Rindern und anderen Arten, auf deren Muttermilch eine ganze Industrie gegründet wurde, fast nie auf freiwilliger Basis erfolgt. Die meisten Menschen können ihren Nachwuchs nach der Geburt behalten, während die Rinder ihre Zeit mit ihrem Baby wenn überhaupt nur in Stunden bemessen dürfen.
 
Dass die Entführung des eigenen Babys eine echt miese Sache darstellt, wissen die meisten Verbraucher auch. Aber leider ist ihre Gier auf ein Pseudo-Lebensmittel größer als ihr Gewissen, ein Lebensmittel, das von der Natur sogar lichtempfindlich gemacht wurde, weil es nur zwischen Euter der Mutter und Mund des Kindes transportiert werden sollte und deshalb als menschennutzbares Endprodukt soviel mit Natürlichkeit zu tun hat wie ein gelber Sack. Also lassen sich die Konsumenten Märchen einreden, zum Beispiel dass eine Kuh ihr Kind nicht vermisst, weil sie jährlich ihren Nachwuchs abgeben muss und sich daran irgendwann gewöhnt. So etwas können wir uns sogar vorstellen, zwar nicht beim ersten Kind, aber durchaus beim 12.. Wie abgestumpft und verroht muss man jedoch sein, um dadurch beruhigt zu werden, dass der Wille einer Mutter so sehr gebrochen werden kann, dass er nicht mal mehr das eigene Baby vermisst? Wobei das sowieso nur einen Bruchteil der Kühe betrifft, die Mehrheit ruft tagelang nach ihren geraubten Kindern, einfach auch schon, weil der Mensch kein Copyright auf Mutterliebe besitzt.
 
Eine normale Milchkuh ist ihr Leben lang dauerschwanger. Selbst in den kurzen Trockenstehphasen, die sich in wenige Wochen jährlich berechnen, hat der gegen ihren Willen eingesetzte Samen eines fremden Stiers bereits wieder eine Eizelle in ihr befruchtet. Denn diese Tiere ziehen ihr Lebensrecht nur noch aus der Existenz als Produktionseinheit. Lässt die Produktion nach, wird die nächste Milchmaschine an den Milchroboter angeschlossen, in vielen Fälllen die eigene Tochter, weil auch deren Lebensweg vorbestimmt und per Tunnelblick auf Tierleid ausgerichtet wurde. Eine durchschnittliche Milchkuh in Deutschland wird 5 1/2 Jahre alt, danach wird sie auf einem Schlachthof ermordet. Die älteste Kuh der Welt hat dagegen ein Alter von 48 Jahren erreicht. Würde man in diesem Beitrag die Worte „Kuh“ mit „Frau“ austauschen, dann würden wir von ungeheuerlichen, hochgradig geisteskranken Verbrechen reden. Aber da es hier „nur“ um Tiere geht, ist plötzlich auch die perverseste Sache voll in Ordnung, kriegt ein neues verniedlichtes Label und fast alle erwachsenen Menschen lassen sich selig von einer Kuh stillen, weil sie sich dafür nicht unter ein Euter legen müssen und das deshalb voll in Ordnung finden.
 
Und als wäre das alles nicht genug, kommt durch das Thema Klimaschutz auch noch eine ganz besondere Würze ins Spiel. Denn ohne die industrielle Tierhaltung wäre es auf dem Gebiet des Umweltschutzes nicht wie aktuell eine Minute vor zwölf, sondern eher früher Nachmittag. Viele Menschen sehen jetzt langsam ein, dass sie auf etwas verzichten müssen, falls dieser Planet im nächsten Jahrzehnt noch gerettet werden soll. Klappt das nicht in diesem Zeitfenster, dann ist nichts mehr rückgängig zu machen und keine Talfahrt könnte mehr gestoppt werden. Es ist so bitter, wenn man weiß, dass im Grunde genommen niemand für das perfekte Happy End auf etwas verzichten müsste, sondern jeder nur seinen Spaßkonsum und seine Nahrungslieferanten ändern müsste. Trotzdem wird die Menschheit zu dieser lächerlich anmutenden Kleinigkeit wohl nicht fähig sein und deshalb zurecht an diesem und vor allem auch allgemein als Witz final scheitern wird.
 
Heute wird übrigens nicht nur der „Tag der Milch“ gefeiert, gleichzeitig wurde an diesem Termin auch zumindest in China und vielen osteuropäischen Staaten der „Internationale Kindertag“ angesetzt, und das sicher nicht im Gedenken an die Millionen Kinder, die täglich wegen Milch von ihrer Mutter getrennt, als Junge getötet und als Mädchen zu einer Sklavenkarriere verurteilt werden. Nichts beschreibt besser den kritischen Geisteszustand, in dem wir modernen Dinosaurier uns befinden.
 
„Und kriechend über der Erden Land
ein paar Insekten, die Menschheit genannt,
verloren in Zeit, verloren im Raum
und in der Bedeutung.“
(Richard O`Brien)

Kategorie: Allgemein

5 Antworten zu “Gedanken zum Tag der Milch”

  1. Gabriele sagt:

    Das ist ein sehr aufrüttelnder Text von Jens. Die immer schlimmer werdenden Klimaprobleme und die Überbevölkerung werden hoffentlich der gesamten „Nutz“tierausbeutung irgendwann ein Ende bereiten.

  2. Gabriele sagt:

    Hallo Jens, was für ein aufrüttelnder Text! Die immer stärker werdenden Klimaprobleme und die Überbevölkerung werden wahrscheinlich der Tierausbeutung irgendwann ein Ende setzen, hoffentlich!

  3. Marianne sagt:

    Wissend, was mich erwartet, las ich den Artikel dennoch. Er sollte in jeder Zeitung gedruckt werden anstatt blödsinnigem Gelaber über Pflanzenmilch den Raum zu geben.
    Tildas Blick geht bis ins Mark! Sie liesse sich kein Baby mehr wegnehmen!
    Es tut mir in der Seele weh, dass ich nicht mehr helfen kann…..
    Das wenige, dass du tun kannst, ist viel….
    sagt Albert Schweitzer.
    Vegan leben kann JEDER. Damit sind die Tiere, unsere Mutter Erde und Spezies Mensch gerettet. Selbst das menschliche Gehirn funktioniert deutlich besser.
    WIEDER EINMAL DANKE FÜR EURE UNERMÜDLICHE ARBEIT IN ALLEN BEREICHEN.

  4. Antonia sagt:

    Wirklich schlimm, dass man es schafft, komplette Nationen an das Milchmärchen glauben zu lassen. Ich hatte es auch Jahrzehnte geglaubt, was mir bis heute unsäglich leid tut. Was heißt geglaubt, – wir Menschen hinterfragen einfach zu wenig und nehmen gesellschaftliche Konventionen und Prägungen als gegeben hin. Eine riesige Dummheit! Dabei könnte man diese ganzen Lügen alleine schon durch Nachdenken erkennen.

    Da bleibt wirklich nur zu hoffen, dass der Klimawandel die Nutztierhaltung stoppt. Es ist zwar traurig, dass das nur aus so einer Motivation heraus geschieht anstatt aus Tierschutzgründen, – aber wenn so Tierleid verhindert wird, dann ist das was Gutes im Schlechten.

  5. Ulla39 sagt:

    Hier möchte ich an einen Satz von dem 1989 verstorbenen Robert Lemke (Rateschow Was bin ich?) erinnern, der mit Nachdruck in einer Sendung sagte, es sei falsch zu sagen, eine Kuh gebe Milch, denn man nehme sie ihr weg.

    Das ist lange her, aber noch immer wahr.

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