Denn Tiere sind keine Maschinen

Kältestress? Noch nie gehört, ich bin schließlich Bauer …

von Admin, am 09.02.2021.

Dieses Bild wurde gestern vormittag von Top-Agrar auf Facebook gepostet und nach wenigen Stunden direkt wieder gelöscht. Allein diese Zensur wäre schon einen Beitrag wert, denn sie kommt gerade in letzter Zeit verstärkt bei diesen Seiten auf und unterstreicht deutlich, dass die Verantwortlichen weder wissen noch einschätzen können, was sie da veröffentlichen. Erst wenn der Shitstorm von empörten Leuten einsetzt, denkt man mal kurz nach und zieht dann direkt die Notbremse, indem man einfach einen Beitrag mit hunderten von Kommentaren ins Daten-Nirwana schickt. Aber das soll gar nicht das Thema sein, wir fragen uns nämlich mehr, wie gefühlsverroht man sein muss, um stolz zu dokumentieren, wie Kälber schneebedeckt in Iglus oder in Ställen stehen und zittern? Wir zitieren an dieser Stelle mal eine Seite, der man wirklich nicht vorwerfen kann, dass sie für Tierrechte streitet, nämlich „Wir sind Tierarzt“: „Genau wie alle anderen Lebewesen verbrauchen Kälber bei niedrigen Temperaturen mehr Energie, um ihre Körpertemperatur aufrecht zu halten. Außerdem benötigen sie Energie für das Wachstum. Werden Kälber nicht ausreichend versorgt, stagnieren die täglichen Zunahmen. Bei Kälbern unter 21 Tagen beginnt der Kältestress bereits ab Temperaturen unter 15 °C, bei älteren Kälbern sinkt diese kritische Temperatur auf etwa 4,5°C.“ https://www.wir-sind-tierarzt.de/2015/12/checkliste-fuer-winter-kaelber/Man kann also davon ausgehen, dass auch so eine große Organisation wie Top Agrar schon mal etwas von Kältestress bei Kälbern gehört hat. Wenn man trotzdem solche Bilder teilt, nur um andere Bauern zum Schmunzeln anzuregen, dann kann man sich leicht ausrechnen, wie sehr in dieser Szene auf Tiergesundheit Wert gelegt wird bzw. wie derbe dieses Thema rein vom Wissen her im Argen liegt. Bezeichnend sind auch die Kommentare unter diesem Foto. Da wird von einer Wohlfühltemperatur gesprochen, die bei minus 7 bis 16 Grad liegen soll, was eine wahre Schwemme an Lachsmilies auslöst. Ein anderer User betont einfach mal themenfremd, dass er für jeden Tierrechtler ein weiteres Leben seiner Wahl abstechen würde. Gleich mehrere Stimmen gehen nicht auf das Bild ein, sondern unterstellen allen anderen Leuten keine Ahnung zu haben, ohne das weiter zu erklären. der nächste Teilnehmer erzählt, dass so etwas dem Tier nichts macht, solange es im Iglu trocken ist. Wahrscheinlich hat er selber noch nie etwas von Kältestress gehört, stellt sich aber gleichzeitig als einzig ernstzunehmende Wissenskoryphäe beim Thema hin. eine andere Dame labert etwas von Stadtmenschen, denen man allgemein nicht zuhören sollte. Danach wird ein Kommentar geteilt, der darauf hinweist, dass es Rinder gerne kalt haben, einfach weil der Ersteller nicht mal den Unterschied zwischen erwachsenen Tieren und Kälbern kennt. Dann muss natürlich auch herausgestrichen werden, dass man erstmal seine Statistik im Retten von Menschenleben vorweisen muss, um über Kälber zu diskutieren. So geht das über Stand gestern 360 Kommentare, ohne dass auch nur ein Bauer Kritik an dieser Behandlung übt.

Letzteres kommt so offensichtlich in jeder einzelnen öffentlichen Diskussion mit tierhaltenden Bauern auf. Das höchste der Gefühle in dieser Klique ist es, kurz darauf hinzuweisen, dass angeblich nur schwarze Schafe Tiere quälen. Aber selbst diese werden von den (verschwindend wenigen) weißen Schafen gedeckt und bis aufs Blut verteidigt. Wer wundert sich da noch über den schlechten Ruf, den Bauern in der Gesellschaft haben? Sie dreschen immer nur auf Leute ein, die sich für Tiere einsetzen, und ansonsten spannen sie einen großzügigen Solidaritätsschirm auf, wo jede Kritik unerwünscht ist und unter den auch der größte Tierquäler huschen kann. Denn schließlich ist der auch ein Bauer, also wird vielleicht mal leise ins Kopfkissen geflüstert, dass seine Tierbehandlung nicht in Ordnung geht, aber vor der Öffentlichkeit wird er stets verteidigt.

Und jeder neutrale Verbraucher, der zu solchen Bildern Fragen hat, wird mit Phrasen abgecancelt und wenn er die nicht schluckt, wird er als blöder Stadtmensch abqualifiziert, der sich schon aus Prinzip nicht mit der Elite vom Land unterhalten darf. Echt komisch, warum Bauern immer mehr zum Feindbild werden und auch die tausendste Demonstration vor irgendwelchen Discountern oder politischen Einrichtungen nichts bringt. Eine Branche schaufelt sich ihr eigenes Grab, eigentlich ist das eine Gelegenheit, um das Popcorn rauszuholen und sie einfach machen zu lassen. Aber leider findet dieser Totentanz auf dem Rücken der Tiere statt, die zum Beispiel wie hier in Kälberiglus frieren, weil Stadtmenschen keine Ahnung haben.


Kategorie: Allgemein

14 Antworten zu “Kältestress? Noch nie gehört, ich bin schließlich Bauer …”

  1. Phil sagt:

    Ich bin entsetzt. Empathie kennen die nicht.

  2. Martina sagt:

    Mir kommt beim Anblick des bibbernden Kälbchens nun schon zum 2.Mal am Tag der Kaffee hoch.
    Genau wie heute früh auch schon
    als ich einen „netten“ Artikel gelesen habe,wonach Veterinäraemter in Brandenburg von August – Dezember 2020 den Transport von 4716 (!!!) Rindern
    in sog. „Tierschutz-Hochrisiko-Staaten“ ( z.B. Russland, Türkei
    und Libanon) genehmigt haben.
    Das Gesundheitsministerium in Potsdam teilte dazu mit,der Transport von Tieren in Nicht-EU-Staaten sei „im Rahmen der rechtlichen Vorgaben zulässig“.
    Im Februar gebe es zudem einen neuen Erlass zur Gewährleistung von Tierschutz auf Langstreckentransporten.
    Ja,ja,Papier ist geduldig und den Rindern wird weiterhin UNERMESSLICHES LEID zugefügt und kaum jemanden interessiert es !

  3. Helga sagt:

    Das gehört aufs Höchste bestraft . Nicht zu fassen was so kleine Tiere aushalten müssen.

  4. Marita sagt:

    So roh können doch nur Menschen sein. Ein Raubtier tötet um zu überleben. Ein Mensch benutzt ein Tier, nutzt es aus, bis zu seinem jämmerlichen Tod und entwürdigt es sogar dabei noch. Ich kann einfach immer nur wieder schreiben – der Mensch ist wahrlich NICHT die Krone der Schöpfung.

  5. Gabriele R. sagt:

    Wie einsam dieses Kälbchen dort in der eisigen (Gefühls-)Kälte steht, zeigt die ganze Traurigkeit, die mit diesem Thema zusammenhängt.

  6. Doris sagt:

    Hallo Marita, dem kann ich nur zustimmen. Meine 93-jährige Oma hat oft zu mir gesagt. Das schlimmste Tier ist der Mensch. Tiere töten nur zum Überleben. Nicht aus Habgier, Lust etc. Und wenn man sich das Bild genau ansieht, wann wurde es zuletzt gefüttert, getränkt. Ich finde keine Spuren im hohen Schnee. Und warum das alles, weil es eine Massentierhaltung ist. Kein Platz im warmen Stall, kein Kontakt zu seinen Leidensgenossen. Wer kann da noch mit Appetit Fleisch essen.

  7. Monika Hoffmann-Kühnel sagt:

    Bezeichnenderweise gelten die ohnehin verbesserungsbedürftigen Tierschutzgesetze nur sehr eingeschränkt für sogenannte Nutztiere. Und bei Verstößen guckt eh keiner wirklich hin. Wahrscheinlich finden die Milchbauern solche schrecklichen Bilder auch noch witzig und cool. Absolut ekelhaft! Und die Politik und ihre Kontrollorgane sind Komplizen eines perversen Systems, dessen Grundlage Tierquälerei ist.

  8. Ute P. sagt:

    Auch den Bauern weht allmählich ein eisiger Wind entgegen, und das ist gut so. Die Verbraucher werden ständig aufgeklärter, die Medien berichten immer öfter kritisch über Haltung und Ausbeutung der Tiere und die Zukunftsperspektiven. Viele Wissenschaftler sagen, in 10 Jahren wird es keine Massentierhaltung mehr geben, allein schon wegen der Auswirkungen auf das Klima und der Entstehung weiterer Pandemien. Und immer öfter wird öffentlich die Frage diskutiert, ob es ethisch vertretbar sein kann, Tiere zu töten, um sie zu essen, gerade in unserer modernen Konsumgesellschaft, die viele Alternativen hat. Und wer glaubt, nicht auf Fleisch verzichten zu können, wird das Angebot bekommen, „clean meat“ zu essen, das so genannte Laborfleisch. Wird jetzt schon in Singapur in einem Restaurant angeboten, zu moderatem Preis.
    Unser Verhalten wird sich ändern (müssen), und die Tierzüchter und ihre Lobby sollten bald einen Berufswechsel planen. Aber bis dahin werden noch Jahre vergehen und Milliarden Tiere ein grausames Schicksal erleiden.

  9. Antonia sagt:

    Wenn ich das Foto von dem frierenden, hilflosen Kälbchen sehe, würde ich am liebsten sofort losfahren und das arme Wesen abholen.

    Martina, den Artikel habe ich auch gelesen. Mir fehlen oft die passenden Worte, wie ich das alles finde. Mal ganz zu schweigen davon, dass sowieso das ganze System krank ist, lügen sich doch die Politiker selbst ganz dick etwas vor, wenn sie als Lösung für die Langstreckentransporte anbieten, dass die zukünftig besser kontrolliert und die Tier“schutz“gesetze unterwegs eingehalten werden. Solche Aussagen zeigen doch nur, dass diese Politiker Lichtjahre von jedem Tierschutzgedanken entfernt sind.

  10. Ira sagt:

    Und trotz dieser Bilder werden weiterhin Milchprodukte und Fleisch bei den meisten wieder konsumiert, weil viele die Bilder wieder vergessen werden.

  11. Gudi sagt:

    Danke für kluge Worte zu diesem Thema !
    Noch in diesem Jahr staunte meine städtische Verwandte hier auf dem Land darüber, dass so viele Kälbchen allein in kleinen Häuschen sitzen, warum das so sei ???!!! Bitte lasst uns alle unsere Stimme erheben, auch da, wo Aufklärung vielleicht zu Unstimmigkeiten führt. Ich habe mir übel Ärger auf einer landwirtschaftlichen Ausstellung eingehandelt, bei der ich als einzige meinen Unmut bei strammen Jungbauern kund tat, die ihre armen, gestylten Kühe mit milchtriefenden, dick geäderten Rieseneutern stolz zur Schau stellten.

  12. Gudi sagt:

    Stinkende Traktoren auf Bauerndemos, bei denen ich bisher nur Bauern aus der konventionellen Landwirtschaft höre, die Diskussion über die Bauernfahne ( NDR 3 ), die Subventionen, die die Kleinbauern nicht fördern sondern die Massentierhaltung , der fehlende und weiterführende Insektenschutz, die Verpachtung des Landes an große Unternehmen, so dass kleine, gut geführte Höfe kein Land zu erschwinglichen Preisen mehr zu pachten oder kaufen könnten – gibt es eigentlich gerade Positives zum Thema Landwirtschaft? Meine Bitte an uns Verbraucher ohne die große Klugscheisserin rauszukehren : Augen auf wo und was wir kaufen. Meine Bitte an viele Landwirte, die aus ihrem System schwer oder gar nicht rauskommen : Bitte nicht resignieren sondern nach guten Ideen,Lösungen, Beratungen oder Hilfen suchen. Kein Verharren im Alten sondern Wege für die Zukunft suchen. Kein Bauernbashing also, die fördern durch unseren Verbrauch als Kunde, die sich Gedanken machen und bei der nächsten Wahl sehr genau schauen, wer Tier- und Artenschutz im Programm hat.

  13. Hilke sagt:

    Gudi,
    ich find das toll, was und wie du geschrieben hast.

  14. Conny sagt:

    Dieses Ausmaß an Empathielosigkeit oder besser gesagt diese Grausamkeit, die hilflosen Wesen angetan wird ist unerträglich. Diese Verrohung als solche auch noch herunterzuspielen und trotz besseren Wissens oder aus hartnäckiger Ignoranz oder auch nur aus abgrundtiefer Dummheit zu verleugnen, macht mich unendlich wütend und traurig und da kann ich mich nur schämen, zu der Spezies Mensch zu gehören.

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