Denn Tiere sind keine Maschinen

Marieke

von Admin, am 10.09.2020.


Die 12jährige Marieke kam einen Tag vor ihrem Schlachttermin zu uns. Ihren ersten Lebensabschnitt musste sie in Anbindehaltung verbringen und war gleichzeitig zu einem Schicksal als Hochleistungsmaschine und Ausstellungskuh verdammt, in der ihr über 100.000 Liter Muttermilch geraubt wurden. Durch diese Behandlung, aber auch durch die Zucht, war ihr Körper bereits sehr angeschlagen. Zu allem Unglück wurde sie von ihrer ersten Brunst in Freiheit so überwältigt, dass sie dabei ganz unglücklich gestürzt ist und sich eine Beckenfraktur zugezogen hat. So konnte sie die Weideneröffnung nicht mitmachen, musste sich drei Monate lang schonen und in einem abgetrennten Stallbereich leben, damit sie ihren Bewegungsapparat nicht überstrapazierte.

Seit Anfang Juni darf sie aber auch die große Butenländer Freiheit unsicher machen und hat uns dabei sogar überrascht. Denn wir hätten nicht gedacht, dass sie gleich vom ersten Tag nach ihrer Genesung so ein Erkundungstempo hinlegt. Das hat sie aber bis heute durchgehalten und zeigt somit, dass bei ihr wirklich wieder alles in Ordnung ist und nun endlich das artgerechte Rinderleben losgehen kann.

Marieke gehört zu den Holstein Friesian. Das ist eine Rinderart, über die sogar in Medien wie „Agrar heute“ Interviews geführt werden, die ganz offen von einer Qualzucht sprechen. Der Hintergrund ist da zwar sehr makaber, denn die Verantwortlichen sehen das aus dem Blickwinkel, dass sogenannte Zweinutzungsrinder gesünder leben würden, einfach weil sie nicht so sehr dem gnadenlosen Milcherzeugungsrhythmus unterworfen sind und direkt robuster gezüchtet werden. Trotzdem kann man nicht genug herausstreichen, dass selbst solche Magazine inzwischen bei der reinen Milchausbeutung von Qualzuchten reden.

Da kommen dann auch schaurige Zahlen ans Licht der Öffentlichkeit. Die „Nutzungsdauer“ von Kühen ist mittlerweile auf weniger als drei Laktationen gesunken, sprich eine Milchkuh wird im Durchschnitt keine 5 Jahre alt. Mehr als die Hälfte aller Tiere erkranken mehr als einmal pro Laktation, überwiegend zu Beginn. Zudem ist die Zahl der im Bestand verendeten Kühe auf international etwa sechs Prozent gestiegen. Dieser Absatz ist fast ein 1:1-Zitat aus einem Interview, das „Agrar-heute“ mit einem Tierarzt geführt hat. Wenn selbst die Verantwortlichen in der Tierindustrie solche Zahlen offen zugeben und kritisieren, dann will man eigentlich gar nicht mehr wissen, wie dramatisch die Situation aus einer neutralen oder sogar einer Pro-Tier-Sicht bewertet werden muss.

Diese Rinder sind auch anfällig für viele Krankheiten. Ein Beispiel ist da die Ketose. Auch hier zitieren wir den Tierarzt: „Das Mobilisieren von Fett setzt Fettsäuren frei, die für die Milchsynthese und in der Leber zur Energiegewinnung herangezogen werden. Diese Energiegewinnung ist aber nur möglich, wenn für den Abbau der freien Fettsäuren genügend Kohlenhydrate (Glukose) zur Verfügung stehen. Die Verwendung von Glukose hat aber Priorität für die Milchbildung, somit ergibt sich ein Engpass für den Abbau der Fettsäuren und die Gefahr einer Leberverfettung und Ketose mit dem Anstieg von Betahydroxybuttersäure (BHB) im Blut. Bis zu 40 % der Kühe haben in den ersten Laktationstagen erhöhte BHB-Werte, die mit Krankheiten wie Labmagenverlagerung, Mastitis oder Fruchtbarkeitsstörungen korrelieren.“ Und tatsächlich kennen wir auf Butenland das Problem der Labmagenverlagerung sehr gut, allein 2020 mussten da zwei Eingriffe bei ehemaligen Milchkühen vor Ort vollzogen werden.

Zusätzlich machen sich durch diese Qualzucht aber auch immer mehr gesundheitliche Probleme im Euter, Klauenerkrankungen und andere Beeinträchtigung des Bewegungsapparats, Stoffwechselstörungen, Verlust der Fruchtbarkeit und andere Krankheitsbilder bemerkbar. Hinzu kommt, dass die Holstein Frisian ursprünglich aus den USA importiert wurde, mittlerweile den Markt dominiert und es deshalb sogar zu Inzuchtproblemen kommt. Das liegt daran, dass der Handel längst international läuft, aber sich trotzdem auf den Samen weniger ausgewählter Zuchtbullen konzentriert. Alles in allem ist das einfach ein weiteres schauriges Kapitel und ein Problem, das nur entstanden ist, weil viele Menschen noch immer davon ausgehen, dass sie ohne die Muttermilch einer anderen Art Lebensqualität einbüßen würden. Ohne dabei darauf zu achten, wieviel Lebensqualität sie den produzierenden Tieren mit ihrer unnötigen Lust nehmen.


Kategorie: Allgemein

5 Antworten zu “Marieke”

  1. Bettina sagt:

    Es wäre schon viel erreicht, wenn alle anerkennen würden, dass unser Geschmackssinn in frühester Kindheit auf Produkte tierischen Ursprungs lediglich konditioniert wurde. Dann wäre die Einsicht auch nicht weit, dass diese Produkte nicht besser schmecken, sondern nur vertrauter, als die pflanzlichen Alternativen.

  2. Ira Helsper sagt:

    Was für ein Glück, dass sie bei euch ist und nun ihr Leben genießen kann,wad ich ihr von ganzen Herzen wünsche!
    DANKE, dass es euch gibt….. ❤️

  3. naficeh sagt:

    liebste marieke,

    ruh dich aus von den grausamkeiten der menschen, die dich täglich, stündlich, so gequält haben. dein müder körper spricht bände. wie konnte man dir in die augen schauen und dir das antun?

  4. Kerstin sagt:

    @ naficeh: ich glaube, sie schauen den Tieren nicht in die Augen, das trauen sie sich dann vielleicht doch nicht…

  5. Kerstin sagt:

    @Bettina: Das merkt man ja auch daran, wie unangenehm Fleisch schmeckt, wenn man es plötzlich wieder im Mund hat; habe mal versehentlich in ein Tortellino gebissen, das dann doch mit Fleisch gefüllt war, das war alles andere als köstlich.

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