Denn Tiere sind keine Maschinen

Stellungnahme von Rosa Mariechen zum Kastenstand

von Admin, am 04.07.2020.

Liebe Fans,

wer hat uns verraten? Wenn es um meine Artgenossen geht, waren es gestern alle Parteien quer durch den Bundestag. Ihr kennt mich als Vorbild, das sich immer ausgesucht höflich in der Öffentlichkeit präsentiert, schließlich habe ich auch viele jüngere Bewunderer. Aber was da gestern zum Thema Kastenstand von euren Politikern beschlossen wurde, ist wirklich einfach nur unter aller Sau, da muss selbst ich mich beherrschen, um nicht ausfallend zu werden.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Vielleicht damit, was genau da gestern für ein Verbrechen an den Schweinen in den Zuchtbetrieben beschlossen wurde. Eure Politiker haben nämlich Handlungsbedarf gesehen, weil sie erkannt haben, dass Schweine unter den aktuell herrschenden Bedingungen leiden. So weit, so gut, kann mir aber mal jemand erklären, wie man zu dieser Erkenntnis kommt und dann als Lösung so eine … Entschuldigung … Eberkacke beschliessen kann? Ja, es stimmt, dass meine Artgenossen sich in einem Kastenstand nicht ausstrecken können und das so eine Behandlung die pure Tierquälerei ist. Aber wenn ihr das eingesehen habt, wie könnt ihr dann den Bauern eine Umbaufrist von 8 Jahren gewähren?

Schon allein diese Zeitspanne ist ein Skandal, aber damit nicht genug. Eure Volksvertreter mussten auch noch einen zynischen Zusatz in die Verordnung einbauen. Der besagt, dass Schweine beim Ausstrecken nicht an ein bauliches Hindernis stoßen dürfen. Obwohl bekannt ist, dass die anderen Schweine das Problem sind, weil meine Artgenossen in diesen Fabriken fast Schulter an Schulter liegen. Aber diese Tiere gelten in dem Beschluss ausdrücklich nicht als bauliches Hindernis und somit wurde einfach nur ganz elegant bzw. hinterhältig dafür gesorgt, dass sich für meine Artgenossen 8 Jahre einfach gar nichts ändert.

Noch schlimmer sieht es zukünftig im Abferkelbereich aus. Für dessen Umbau wurde eine Frist von unfassbaren 15 Jahren veranschlagt. Ein Hohn ist es dabei auch, dass Bauern die Fixierung meiner Art damit rechtfertigen, so Leben zu retten, obwohl unabhängige Versuche längst bewiesen haben, dass das einfach nicht stimmt. Denn natürlich sind wir Schweine verantwortungsvolle Eltern. Wenn wir ein Kind erdrücken, dann liegt das nicht daran, dass wir uns zu frei bewegen können, sondern vielmehr ist die Hauptursache, dass eure Verliese einer Familie nicht ausreichend Platz bieten.

Und als wäre das nicht alles schäbig genug, dürfen wir auch nie vergessen, was für eure Politiker Übergangsfristen gerade in der Agrarwirtschaft bedeuten. Die haben nicht mal den Wert des Papiers, auf das sie hastig gekritzelt wurden. Bereits seit 2013 ist zum Beispiel die betäubungslose Ferkelkastration verboten, auch da haben die Bauern eine Übergangsfrist bekommen. Trotzdem hat niemand etwas an der Handhabung geändert und die gerade amtierende Lobby-Agrarministerin verschiebt wie ihre Vorgänger die Deadline einfach immer um mehrere Jahre, in der Hoffnung, dass in der nächsten Legislaturperiode jemand anderes die Verantwortung trägt. Wieso sollte man sich also irgendwelche Illusionen darüber machen, dass sich Politiker in 8 bzw. in 15 Jahren plötzlich an geplante Beschlüsse halten?

Interessant ist dabei auch, was ihr Menschen für ein Pohei wegen der Covid-19-Krise macht. Da gelten plötzlich Abstandsregeln, wirtschaftliche Einbussen werden hingenommen, und alles dreht sich nur am das Wohl der Allgemeinheit. Wenn ihr es aber schafft, in Kinos, Cafes und anderen Treffpunkten auf Gewinn zu verzichten und deshalb jeden zweiten Platz freihaltet, wieso klappt das nicht in unserem Fall? Was spricht dagegen, während der Übergangszeit mal etwas guten Willen zu demonstrieren und deshalb auch in euren Betrieben nur noch jeden 2. Platz zu vergeben? Das würde kein Schwein vor dem Tod bewahren und entsprechend zynisch würde es bei meinen Artgenossen ankommen. Aber immerhin würdet ihr so mal zeigen, dass euch die Sache ernst ist und ihr uns tatsächlich vor unserem völlig sinnlosen Tod Leid ersparen wollt.

Die nächste Frage, die sich mir aufdrängt, ist nicht weniger entlarvend: Wieso lasst ihr es zu, dass eure Politiker ausgerechnet in der Zeit so einen Verrat in Stein meißeln, während ihr angeblich gerade den Tierfreund in euch entdeckt? Wenn ich mir von den Butenländern wichtige Internet-Artikel vorlesen lasse, dann handeln die alle davon, dass ihr durch die Schlachthofskandale schockiert seid, dass ihr weniger Fleisch essen wollt, dass wir Tiere für euch schützenswert sind und dass ihr über unsere Behandlung entsetzt seid. Und dann lasst ihr eure Anführer mit so einer Quasi-Kriegserklärung durchkommen? Was stimmt mit euch bloß nicht?

Ich selber bin als zwei Monate altes Baby nach Butenland gekommen. Damals wurde ich in einer dunklen Ecke einer Mastanlage gefunden, Ratten hatten mich schon angefressen und ich musste mit Maden in den Wunden Bekanntschaft machen. Das ist jetzt über 8 Jahre her, die Menschen brüllen inzwischen in der Mehrheit in jedes Mikrofon, was sie für selbstverständliche und leidenschaftliche Tierschützer sind. Trotzdem schauen die meisten noch immer bei Beschlüssen wie dem von gestern weg oder tragen sogar die Hauptverantwortung für unsere Not, indem sie Geld für unsere toten Körper bezahlen und so unser Leid überhaupt erst lukrativ, also möglich machen. Ihr habt echt Glück, dass ich inzwischen so eine kultivierte Diva bin, denn sonst würde dieser Beitrag mit heftigen Schimpfwörtern enden.


Kategorie: Allgemein

10 Antworten zu “Stellungnahme von Rosa Mariechen zum Kastenstand”

  1. Claudia sagt:

    Ach Rosa Mariechen, du sprichst mir aus der Seele. Ich war gestern fassungslos und wütend, als ich erfahren habe, was sich am Kastenstand „ändert“. Wann wachen die Politiker endlich auf? Nehmen sie uns eigentlich ernst, wenn wir protestieren und Petitionen starten?
    Manchmal fühlt man sich da schon hilflos und denkt, es ist immer alles umsonst. Aber aufgeben ist nicht. Dann müssen wir eben noch lauter werden, um Änderungen durchzusetzen. Also, einmal tief durchschnaufen und weiter geht es. Für die Tiere. <3

  2. Thekla sagt:

    Bravo!!!!!!!!!!!!!!!

    …die gerade amtierende Lobby-Agrarministerin!
    Sehr gut ausgedrückt.

    Mal wieder ein super Text!!!

    Wohin bloß mit dieser unerträglich Wut.

  3. Gabriele R. sagt:

    Tierliebe Menschen können sich angesichts dieser brutalen Behandlung von schmerzempfindlichen Lebewesen nur die Haare raufen und wie ein trotziges Kind mit den Beinen stampfen. Diese Ohmacht macht einfach nur wütend und fassungslos. Wann begreifen die Menschen endlich, dass Tiere genauso fühlen wie wir und es unter der Würde der Menschen ist, Tiere zu essen?

  4. Marita sagt:

    Ach Rosa-Mariechen, bei deinen Worten sind mir die Tränen gekommen. Tränen des Schmerzes um deine vielen hilflosen ArtgenossInnen und Tränen der Wut über die Grausamkeiten der Spezie Mensch. Alle PolitikerInnen in den Kastenstand, zwangsbesamt und das Baby darf nur kurz an die Brust und dann weg, während die Mutter festgeschnallt ist. So möchte ich die Frau Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner sehen und alle anderen, die dieses Gesetz feiern. Schande über alle diese Menschen. Ich traue mich nicht, liebes Rosa-Mariechen, dich um Entschuldigung zu bitten, denn für solche Gemeinheiten kann kein Tier einem Menschen die Absolution erteilen.

  5. Maria sagt:

    Kauft der Konsument kein Tierleid mehr, wird es sich ändern…

  6. Elke Kloos sagt:

    Liebes Rosa-Mariechen, Du hast ja sooo recht.

  7. Phil sagt:

    Hi Rosa-Mariechen,
    an solchen Tagen schämt man sich besonders für die eigene Spezies. Da kann man wählen was man will, am Ende gewinnt die Lobby und Arbeitsplätze ob menschenwürdig oder nicht stehen über allem.
    Und die armen Bauern erst – ich geh ko……

  8. Bettina W. sagt:

    Es gibt noch Hoffnung. Das Land Berlin hat in 2019 nach meinem Wissen einen Normenkontrollantrag beim BVerfG wegen dieser tierquälerischen Haltung eingereicht. Der Tierschutzbund unterstützt diese Klage. Vielleicht kürzt das Gericht diese unwürdigen Übergangsfristen.

  9. Irene sagt:

    Da wird/ist man ohnmächtig bei diesen Entscheidungen, die endlos diskutiert werden.
    lt. einem aktuellen Faz-Link sagte Fr.Klöckner, dass nur etwa 90% der Deutschen fleischlos essen und nicht alle Vegetarier oder Veganer werden und ich glaube damit hat sie recht. Wenn man googelt und die Statistiken ansieht, hat sich der jährl. Fleischverbrauch nicht so sehr geändert, angeblich verzehrt jeder Deutsche im Jahr 59 kg Fleisch ohne Wegschnitt und Tierfutter, dann wären es 80-90kg. Wegen Corona wird der Verbrauch vorübergehend etwas sinken, aber sich später wieder angleichen. Bei jedem Fleischskandal ist in den Medien zu hören, die armen Tiere brauchen bessere Regelungen, mehr Platz. Momentan hat man wenigstens für die Beschäftigten in der Fleischindustrie Verbesserungen im Sinn. Aber für die Tiere ändert sich nicht viel und das wird leider noch lange Zeit so weitergehen. Da helfen auch keine Filme der Tierschützer, denn die werden ausgeblendet oder in Kauf genommen, wir sind ja nur die Verbraucher, da muss die Politik, Tierschutz, Landwirt usw. handeln…

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