Denn Tiere sind keine Maschinen

Abschied von Lady Welle

von Admin, am 26.10.2018.

„Einschlafen dürfen, wenn man müde ist,
eine Last fallen lassen können,
die man lange getragen hat,
das ist eine tröstliche, eine wunderbare Sache.“
(Hermann Hesse)

Heute nachmittag fanden wir Lady Welle tot auf der Weide. Es gab weder aufgewühlte Erde noch andere Anzeichen für einen Todeskampf. Deshalb können wir davon ausgehen, dass sie friedlich eingeschlafen ist.

Lady Welle war eine sogenannte Turbo-Kuh. Unfassbare 140.000 Liter Milch musste sie in ihrem Leben geben, dafür wurden ihr 12 Kinder von der unbarmherzigen Industrie geraubt. Sie war außerdem eine Ausstellungskuh, die auf diversen Messen vorgeführt wurde.

Als sie im Dezember 2015 auf unserem Hof ankam, dachten wir insgeheim, dass sie die Weidesaison wohl nicht mehr erleben würde. Zu ausgemergelt wirkte dieser Strich in der Landschaft, zu mitgenommen von der jahrzehntelangen Ausbeutung präsentierte sich ihr Körper. Selten wurden wir von einem Rind und seinem unbändigen Lebenswillen mehr überrascht. Die Lady kämpfte sich nicht nur ins Leben zurück, sie war darüberhinaus nie ein Fall für unsere Krankenweide, sondern lief zwar sehr langsam, aber ohne Unterbrechung direkt in der großen Herde mit. Wir versorgten sie zusätzlich jeden Tag mit Extrakraftfutter, auf diese Portionen wartete die Adelige von Hof Butenland auch immer stets pünktlich zu den selben Uhrzeiten. Genauso regelmäßig warf sie uns den Eimer hinterher, wenn sie mit dem Menü fertig war.

Bereits vor einigen Wochen machten wir uns große Sorgen um die Lady, denn plötzlich stellte sich gleich mehrmals hintereinander ihre Pansenfunktion ein und wir verbrachten mit diversen Tierärzten sehr turbulente drei Wochen zwischen Hoffen und Bangen. Aber zu diesem Zeitpunkt bewies sie noch einmal ihre Kämpfernatur und lief irgendwann wieder über die Weiden, als wäre nie etwas gewesen. Kraft hat das Ganze aber definitiv gekostet, Kraft, die sie jetzt nicht mehr hatte und deshalb heute für immer die Augen geschlossen hat.

Wir restlichen Butenländer pendeln gerade zwischen Trauer und Dankbarkeit, denn natürlich ist es immer schmerzhaft, wenn ein Familienmitglied stirbt. Aber wenn man sich Lady Welles Lebenslauf und vor allem ihre körperliche Verfassung in Erinnerung ruft, dann kann man eigentlich nur staunen, wie lange diese Kuh noch durchgehalten hat, dass sie überhaupt 19 Jahre alt wurde und wie konsequent sie sich noch fast drei Jahre ihre Anteile von einem anständigen Leben abgeholt hat. Und da kommt dann eben auch die Dankbarkeit ins Spiel. Darüber, wie schön es war, dass auch diese Kuh nicht nur die häßliche Seite einer „Nutzvieh“existenz erleben musste, sondern noch jahrelang erfahren durfte, was es in einer besseren Welt heißt, Kuh zu sein. Und das bei uns täglich in vollen Zügen geniessen konnte.

Für Lady Welle:
https://www.youtube.com/watch?v=_Jtpf8N5IDE


Kategorie: Allgemein

13 Antworten zu “Abschied von Lady Welle”

  1. Monika Hoffmann-Kühnel sagt:

    Lady Welle war schon aufgrund ihrer körperlichen Verfassung wie kaum eine andere Kuh ein Symbol für die gnadenlose Ausbeutung von Tieren in der Fleisch- und Milchindustrie. Dass sie drei Jahre noch ein würdiges Leben und jetzt einen „gnädigen“ Tod hatte, ist ein Trost. Aber ich denke, sie wird den Butenländern und ihren Freunden und Freundinnen sehr fehlen!

  2. Ute sagt:

    Nein, nein, nein! Wie nahe Freude und Trauer sein koennen! Gestern das Willkommen fuer zwei neue Familienmitglieder und auf ihrem Fuss folgend die Trauer um ein geliebtes Tier.

    Lady Welle – du sanfte Seele! Dein Leiden war schwer. Aber du hast auch die Beruehrung der Liebe kennengelernt und das ist so viel mehr, als die meisten deiner Artgenossen jemals erleben…. Unsere Liebe bleibt mit dir! Ruhe sanft!

  3. Wo aus Wu sagt:

    Das tut mir richtig leid. Sah aus wie ein Kleiderständer, brüstete sich synchron und ausgiebig unter 2 Putzmaschinen, um anschließend wieder zur Herde zurückzuschlendern als wäre es das Normalste der Welt. Eine echte Lady!

  4. Karin sagt:

    Ach Lady,du Wundervolle, mach’s gut! Und ihr lieben Butenländer, fühlt euch gedrückt, was für eine Woche für Euch. Seid unendlich stolz darauf,dass es Euch gibt,Lady Welle ist es in jedem Fall! Liebe Grüße! Karin

  5. Cornelia sagt:

    was für eine tapfere und vor allem kluge Kuh! Sie ist gegangen als Ihr zwei neue Leben bekommen habt… das hilft beim Überwinden der Trauer, weil Ihr positiv abgelenkt seid…

    Ich habe mich immer gewundert, wie diese sanfte Kuh solange leben konnte in diesem ausgemergelten Körper und sie auch dafür bewundert.

    Wieder ist ein sehr besonderes Wesen von uns gegangen, möge sie fit und fröhlich durch den Rinder-Himmel tollen

  6. Monika sagt:

    Bei allem Elend versuche ich auch immer, eine positive Seite zu sehen:
    Wie gut, daß Lady Welle so einen schönen Lebensabend bei Euch verbringen und friedlich einschlafen durfte..
    Außerdem ist sie jetzt ja auch in guter Gesellschaft mit vielen Bekannten.

  7. Marita sagt:

    Nach der Hölle, die Lady Welle durchschritten hatte, durfte sie das Leben kennen lernen, das jedes Tier verdient hat. Frei und selbstbestimmt den Tag verbringen, von Menschen umsorgt, die es gut mit ihr meinten. Die sie bei sich wohnen ließen, bis Lady Welle für sich entschied – jetzt ist es genug. Danke das es dich gab, Lady Welle und Danke euch Butenländer Zweibeiner, dass ihr dem wundervollen Tier noch eine Chance gegeben habt, zu leben, nach der Qual. In Gedanken trauere ich mit euch um Lady Welle.

  8. Christine sagt:

    Lady Welle♡, Du warst enorm tapfer und eine so sanftäugige Kuhdame, die sich immer wieder voller Lebenswillen erholt hat.
    Dass Du nicht mehr lebst, macht mich traurig. Die Textpassage oben, dass Du in Frieden Deine schönen Augen geschlossen hast, gibt etwas Trost + auch, dass Dir noch eine glückliche Zeit auf Butenland vergönnt war.
    Leb‘ wohl♡.

  9. Gabriele sagt:

    Jedes Mal beim Besuch Eurer Seiten hatte ich in den letzten Wochen Angst vor dieser Nachricht. Nun ist mein liebes Patenkind für immer gegangen. Es tut mir so leid, Lady Welle, was man Dir genommen hat und wie sehr Du gelitten hast. Ich bin froh, daß Du die letzten wenigen Jahre Deines Lebens noch viel Liebe, Fürsorge und Freiheit erleben konntest. Machst gut Du Schöne ich trauere um Dich und werde Dich nie vergessen!

  10. Antonia sagt:

    Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass Lady Welle friedlich eingeschlafen ist, nachdem sie auf Butenland ihr „Renten-Dasein“ verbringen durfte. Stimmt, da vermischen sich Trauer und Dankbarkeit und bestimmt auch die Erleichterung, dass Lady Welle ganz alleine entschieden hat zu gehen und kein tierärztliches Zutun nötig wurde.
    Auch Freud & Leid liegen dicht nebeneinander, denn man könnte fast glauben, sie hat den neuen Butenländern Platz machen wollen…

    Mach’s gut irgendwo im Tierhimmel auf immergrünen Wiesen!

  11. Doro sagt:

    Die Textzeile von Hermann Hesse ist so berührend und passend…muss schon wieder weinen…Lady Welle, du tapfere, befreit von allen Kümmernissen und diesem erschöpften Körper, ruhe in Frieden.

  12. Inga sagt:

    Drei Jahre Kampf ums Leben, drei Jahre mit der Hilfe guter Menschen, drei Jahre Selbstbestimmtheit und ein friedlicher Tod. Aus Empörung über die Jahre davor sind gestern in Hamburg Tausende auf die Straße gegangen. Es werden langsam mehr, doch jeder Tag, den das Elend andauert, ist einer zuviel.

    Ruhe in Frieden, tapfere Lady. Danke allen, die Dir die letzten Jahre ermöglicht haben.

  13. ingeborch sagt:

    Seufz.
    Danke, dass ihr ihr drei schöne Jahre ermöglicht habt. Eines Tages… eines Tages werden alle noch verbliebenen Rinder so leben dürfen und das Wort „Nutzvieh“ wird ein Begriff aus den längst vergangenen Tagen der Barbarei sein, den man im Duden nachschlagen muss.

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