Denn Tiere sind keine Maschinen

Abschied von Marie

von Admin, am 14.02.2018.

Wir mussten heute nachmittag Marie erlösen lassen. Sie hatte sich seit gestern abend festgelegen und konnte weder durch selbstständige Aufrichtversuchen noch durch unsere Hilfe mehr stehen.

„Ihr könnt Tränen vergießen, weil sie gegangen ist,
oder ihr könnt lächeln, weil sie gelebt hat.

Ihr könnt eure Augen schließen und beten, dass sie wiederkehrt,
oder ihr könnt die Augen öffnen und all das sehen, was sie hinterlassen hat.

Euer Herz kann leer sein, weil ihr sie nicht mehr seht,
oder es kann mit der Liebe gefüllt sein, die ihr geteilt habt.

Ihr könnt euch vom Morgen abwenden und im Gestern leben,
oder ihr könnt morgen glücklich sein wegen des Gestern.

Ihr könnt euch nur daran erinnern, dass sie gegangen ist,
oder ihr könnt ihr Andenken bewahren und es weiterleben lassen.

Ihr könnt weinen und euch verschließen, leer sein und euch abwenden,
oder Ihr könnt tun, was sie gewollt hätte:
Lächeln, eure Augen öffnen, lieben und weitermachen.“

(David Harkins)

Marie wurde am 14.9.2006 geboren und kam im Dezember 2008 auf unseren Hof. Sie ist als Kälbchen auf einem Spaltenboden ausgerutscht und brach sich dabei das Becken und das rechte Hinterbein mehrfach. Diese Frakturen waren eigentlich ihr Todesurteil. Doch dann geschah das Wunder und der Termin beim Schlachter wurde gegen ein Leben auf Butenland eingetauscht.

Hier wurde Marie wochenlang gelagert und mobilisiert, und wie es an einem Krankenbett üblich ist, gab es auch jede Menge Liebe, Zuspruch, haufenweise Aufmerksamkeiten und Leckereien, und so fand sie tatsächlich die Kraft und den Mut, allen medizinischen Prognosen zu trotzen. Als Überbleibsel ihrer Frakturen behielt sie zwar ein steifes Bein sowie ein verschobenes Becken, aber dennoch kämpfte sich die kleine Heldin tapfer durch ihren Alltag. Und das über 11 Jahre, eine Lebensspanne, die ihr kein Arzt zugetraut hätte.

Da es immer wieder zum Festliegen kam und wir ihr mit unserem Hebegerät oft auf die Beine helfen mussten, hatte Marie auch schnell gelernt, dass sie nur auf der linken Seite ruhen kann. Natürlich stand sie hier unter verstärkter Beobachtung und war Teil unserer Krankenweide inklusive Krankenstall, wo wir sie einfach viel besser im Blick hatten als auf den normalen, sehr weitläufigen Varianten des Hofes. Wie eingeschränkt ihr Bewegungsablauf war, kann man am Anfang dieses Videos https://www.youtube.com/watch?v=YtNO4HGSqaA erkennen. Auch heute bei der letzten Visite hat unser Tierarzt nochmal betont, was es für ein Wunder war, dass Marie nicht nur über 11 Jahre durchgehalten hat, sondern sich nach jedem Festliegen mit ein bißchen Hilfe von uns, aber vor allem mit beispiellosen Überlebenswillen wieder hochgekämpft hat.

Trotz der Einschränkungen war Marie ein echter Dickkopf, konnte sich hervorragend durchsetzen und hatte so einen dominanten und sicheren Platz in der Herdenhierarchie. Sie wurde sogar einmal als Fotomodell gebucht und ziert das Cover einer Sammlung mit Sprachglossen der Feministin Luise F. Pusch. Unsere Wunder-Marie war einfach ein leuchtendes Beispiel dafür, dass jeder eine zweite Chance verdient hat und für einen starken Willen ein Leben mit Einschränkungen nicht unmöglich ist, sondern zufrieden tagtäglich zelebriert werden kann.

Das tat sie dann auch bis zuletzt. Wir wissen gar nicht mehr, wie oft wir Marie über die Jahre wieder auf die Beine geholfen haben, egal ob Tag oder Nacht. Ganz selbstverständlich hat unsere Kämpferin sofort danach wieder weitergemacht hat, als wäre nichts gewesen. Bei ihrem letzten Festliegen signalisierte sie uns aber, dass sie nicht mehr stehen bleiben wollte, und als uns auch der sofort herbeigerufene Tierarzt keine Hoffnung mehr machen konnte, mussten wir schweren Herzens realisieren, dass es Zeit war, Abschied zu nehmen. Hoffentlich ist Marie nun irgendwo mit ihrem besten Freund Paul wiedervereint.

Für Marie:
https://www.youtube.com/watch?v=3h0apAcQGPQ

Lege deinen süßen und müden Kopf nun nieder,
die Nacht ist gekommen, du bist am Ende deiner Reise.

Schlaf jetzt und träume von denen, die vor dir gingen,

sie rufen von einer weit entfernten Küste.

Warum weinst du? Warum sind Tränen auf deinem Gesicht?

Bald wirst du sehen, dass all deine Ängste vergehen werden,

Beschützt in meinen Armen wirst du nur schlafen.“


Kategorie: Allgemein

11 Antworten zu “Abschied von Marie”

  1. Susanne sagt:

    Vielen Dank, das Marie all das erlebn durfte und das ihr ihre Geschichte erzählt!

  2. Ute sagt:

    Und wieder einer der Momente, in denen man nicht versteht, wie die Welt einfach so weitergehen kann, ohne auch nur fuer einen Augenblick den Atem anzuhalten, den Abgang eines geliebten Wesens zur Kenntnis zu nehmen, zu wuerdigen.
    „Marie wurde wochenlang gelagert und mobilisiert…und so fand sie tatsaechlich die Kraft und den Mut, allen medizinischen Prognosen zu trotzen“ Und damit habt Ihr Marie neun Jahre Lebenswillen und Lebensfreude geschenkt, Jan und Karin! Fuer neun Jahre habt Ihr ihr Glueck sichergestellt und beschuetzt.
    Von Herzen: danke fuer die taeglichen Opfer, die Ihr fuer die Tiere erbringt!!
    Ich wuerde Euch alle – Karin, Jens, Indira, Jan und Emily sooo gerne umarmen!

  3. Claudia sagt:

    Danke Ute, das hätte ich nicht besser sagen können. Meine Welt stand, als ich die Nachricht gelesen habe, einen Augenblick still. Ich bin froh, dass Marie noch eine schöne Zeit mit Paul hatte. Ich bin sicher, dass sie jetzt bei Paul ist. Liebe Butenländer, vielen Dank, dass ihr Marie ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht habt und sie nicht aufgegeben habt. Den Zeitpunkt für den Abschied hat Marie gewählt.

  4. monika sagt:

    die zeilen von david harkins gefallen mir sehr;nämlich daß es bei aller trauer auch einen positiven aspekt gibt.
    adieu, marie,ich wünsche dir eine gute reise.

  5. Christine sagt:

    Leb‘ wohl Marie – ganz bestimmt hat Dich Dein bester Freund Paul drüben in Empfang genommen + zeigt Dir jetzt alles.
    Auch mein Dank gilt Jan und Karin, weil ihr Marie gerettet + ihr ein wunderschönes Leben ermöglicht habt.
    Wünsch‘ Euch weiterhin ganz viel Kraft für Eure wirklich wertvolle Arbeit für alle Tiere.

  6. Inga sagt:

    Tapfere Marie, schlaf gut. Es war immer wieder ermutigend zu sehen, wie Du Dein Leben geliebt hast und dass Dir gute Freunde beistanden. Danke Butenland.

  7. Dagmar sagt:

    Mir wurde hier im Tagebuch vor einiger Zeit geschrieben: „Wo eine Tür zu geht, geht die nächste auf.“
    Du hast die irdische Türe hinter Dir geschlossen. Gute Reise, liebe Marie. Paul hat Dir sicher die nächste Türe aufgemacht.
    Grüß ihn bitte lieb und auch Käthe, den Prinzen und Angelika.
    Und jetzt muss ich doch weinen.
    Möge Karin, Jan und dem Team Trost sein. Dank Euch allen für Eure wunderbare Arbeit und die große Liebe zu den Tieren.

  8. iski sagt:

    Liebe, schöne Marie,
    ich habe dich sehr gemocht und bewundert, wie du dich in dein Schicksal gefügt hast. Es tut weh, dich nicht mehr in der Herde zu finden. Auch mein Dank an alle auf Butenland, die ihr Marie so ein gutes Leben ermöglicht habt!

  9. Gabriele sagt:

    Liebe Marie, ich habe Dich immer voller Hochachtung und Mitgefühl betrachtet, wie tapfer Du Dein Schicksal getragen hast und wie stark trotzdem Dein Lebenswille war. Viele liebe Menschen haben Dir dabei geholfen, dass Du nach Deinem Sturz ein Leben in Freiheit und Würde führen konntest. Ich werde Dich sehr vermissen, so wie alle anderen, die vor Dir gegangen sind. Wieder blutet mein Herz, jeden Tag, auch für all diejenigen, die ich nie kennenlernen durfte, die einen sinnlosen und unbegreiflichen Tod sterben mußten, nur um die Teller der herzlosen „Mensch“heit zu füllen. Machs gut, liebe, tapfere Marie, jetzt kannst Du in der jenseitigen Welt wieder mit einem gesunden Körper herumhüpfen und mit Paul und den anderen spielen. RIP…

  10. Heike sagt:

    Schluck, hab’s jetzt erst gelesen…
    Meine Welt stand jetzt kurz still.
    Alles schon gesagt, alles schon gefühlt, und trotzdem trifft es einen wie neu.
    Mach’s gut Marie!

  11. ines sagt:

    … und ich hab es erst jetzt gelesen! Hatte im Februar einige Tage nicht reingeschaut und ausgerechnet an diesem Tag auch nicht. – Du hast deine Reise bestimmt inzwischen beendet, liebe Marie, und bist gut angekommen. Du bist für mich ein bleibendes Beispiel für Kampfgeist und Lebenswillen. Mach es gut, liebes Mädchen! – Ich schluck die Tränen auch tapfer runter.

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